Familienaufstellung
Noch vor ca. 20 Jahren war die Aufstellungsarbeit eine Art Geheimtipp - einerseits hoch gehandelt als die Heilungsmethode schlechthin, andererseits kritisch beäugt und abgetan als esoterischer Hokuspokus. Inzwischen hat die Aufstellungsarbeit, als eine effektive und solide Vorgehensweise, einen festen Platz eingenommen in der Landschaft der Beratung und Therapie von Familien und anderen Systemen.
Aufstellungen, auch unter dem Begriff Familienaufstellungen oder - allgemeiner ausgedrückt - Systemaufstellungen bekannt, sind eine Methode, die aus dem psychotherapeutischen Feld und dem systemischen Denken stammt. Eine Aufstellung ist ein Prozess, in dem Sie Ihr Eingebundensein in größere Zusammenhänge erleben können, der Ihre verfestigten, unbewussten und oft leidvollen Bilder und Einstellungen hinterfragt und in Bewegung bringt, und der Ihnen durch die ganzheitliche Erfahrung eines neuen, heilsamen inneren Bildes die Möglichkeit persönlicher Veränderung bietet.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich entschieden eine Aufstellung zu machen - vielleicht weil Ihnen Ihr Therapeut oder Berater das ans Herz gelegt hat, oder weil Sie schon so viel davon gehört haben und glauben, eine Aufstellung wäre das Richtige für Ihr persönliches Problem. Angenommen, Sie säßen jetzt in einem Seminar, denn Aufstellungen werden vorzugsweise im Rahmen eines Seminars innerhalb einer Gruppe gemacht. Eine der ersten Fragen, die Sie dem Aufstellungsleiter vor Ihrer Aufstellung beantworten werden, ist die nach Ihrem Anliegen: Was möchten Sie verändern? oder: Was wäre ein gutes Ergebnis für Sie?
Bei dieser Frage geht es um Ihr Herzensanliegen, das Sie möglichst klar umreißen sollten, sodass deutlich wird, was Sie sich anstelle Ihrer momentanen Problematik wünschen, bzw. was Ihr Ziel ist. Dieses Anliegen dient dann als "roter Faden" während der Aufstellung.
Der Aufstellungsleiter orientiert sich an Ihrem Anliegen und schlägt Ihnen vor, ob Sie das Bild Ihrer aktuellen Familie oder Ihrer Herkunftsfamilie aufstellen, und mit welchen Familienmitgliedern Sie beginnen. Dafür wählen Sie Gruppenteilnehmer aus, die als sogenannte Stellvertreter für Ihre Familienmitglieder - einschließlich Ihrer eigenen Person - zur Verfügung stehen und stellen diese gesammelt und ohne Worte, in Beziehung zueinander, im Raum auf. Sie selbst sind - und bleiben zunächst auch - Beobachter des Geschehens.
Das aufgestellte und sichtbare Bild gibt nun innerhalb kürzester Zeit Einblicke in das, was auf einer unausgesprochenen und unbewussten Ebene in Ihrem System wirkt. Auf Befragen des Aufstellungsleiters äußern sich die Stellvertreter zur Befindlichkeit der Person, die sie vertreten und das oft absolut verblüffend übereinstimmend in Worten oder sogar Körperhaltungen und Gesten der "Original-Personen", obwohl sie diese Personen nicht kennen und nur über minimale Informationen verfügen.
Die gewonnenen Informationen geben dem Therapeuten Hinweise für mögliche nächste Schritte, die hilfreich für eine Lösung sein können. Er verändert die räumliche Position von einzelnen Personen und überprüft die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die anderen; er holt eine Person, die bisher fehlte, neu in das Bild hinein oder er lässt die Stellvertreter "lösende Sätze" sprechen. Dabei spielt die Wirkung dieser Interventionen eine wesentliche Rolle: Entscheidend ist, ob es den Beteiligten durch die Umstellung und durch die verbalen Interaktionen besser geht und so ein "Lösungsbild" entwickelt werden kann, das hilfreich für Ihr persönliches Anliegen ist es. Dieser Prozess benötigt viel Feingefühl, Intuition und professionelles Know-how.
Gelingt es, eine neue, heilsame Ordnung für das System zu finden und Verstrickungen aufzulösen, so dass Versöhnung stattfinden kann, ist es Zeit für Sie, aus dem Außenkreis in Ihre Aufstellung hineinzutreten - an den Platz Ihres Stellvertreters. Dies ist ein ganz besonderer und häufig emotionaler Moment: Sie stehen - begleitet von Ihrem Aufstellungsleiter - eine Weile an diesem neuen Platz, um all das wahrzunehmen, aufzunehmen, sich diesen Zugewinn an Kraft und Klarheit einzuprägen, zu verankern und mitzunehmen. Die gewonnenen Einsichten und Erfahrungen müssen von Ihnen erinnert werden können, um Wirkung im Alltag zu entfalten. Der Eintritt in das gefundene Lösungsbild ist gleichzeitig das Ende Ihrer Aufstellung und der Beginn von etwas Neuem, z. B. eine neue Sichtweise in Bezug auf Ihr Anliegen. Die Umsetzung auf die Handlungsebene braucht manchmal etwas Zeit.
Es ist ein Phänomen - in der Tat erstaunlich, und wissenschaftliche Erklärungen für das, was passiert, gibt es bisher nicht: Durch gesammeltes Aufstellen von Systemen ist es möglich, stimmige Informationen über Strukturen, Dynamiken und Wechselwirkungen in Systemen zu gewinnen und daraus kraftvolle Lösungsbilder zu entwickeln. Die Äußerungen der Stellvertreter verdeutlichen unbewusste, konfliktreiche Zusammenhänge und bringen ans Licht, was hemmend und blockierend im Wege steht.
Man spricht hier von einem "wissenden Feld" (A. Mahr), das entsteht, sobald das ganze System aufgestellt ist, von einer "repräsentierenden Wahrnehmung" (Varga von Kibéd) oder davon, dass es ein "Wissen durch Teilhabe" (G. Weber) gibt. Es scheint also andere Übertragungswege von Informationen zu geben als die bisher bekannten. Z. B. erforschten Wissenschaftler aus der Biologie, dass Tierpopulationen auf unterschiedlichen Kontinenten zur gleichen Zeit gleiche Lerneffekte zeigten oder, dass ein Hund weiß, wann sich sein "Frauchen" auf den Heimweg begibt und bereits an der Tür wartet. In der Aufstellungsarbeit macht man sich dieses Phänomen der Informationsübertragung zunutze und arbeitet damit, ohne (bisher) zu wissen wie.
Untrennbar mit der Methode der Aufstellung verbunden ist der Name Bert Hellinger - Begründer der Aufstellungsarbeit. Er entwickelte die Methode des Familienstellens in den achtziger Jahren. Heute gibt es eine ganze Reihe von Weiterentwicklungen, Veränderungen und neuen Beiträgen, mit denen es Aufstellern wie Gunthard Weber, Albrecht Mahr, Insa Sparrer, Matthias Varga von Kibéd u. v. a. gelungen ist, die Aufstellungsarbeit auch in andere Anwendungsfelder zu übertragen.
So gibt es inzwischen Aufstellungen, die über die Familienaufstellung im engeren Sinne weit hinausgehen, z. B. Aufstellungen zu beruflichen, politischen oder gesundheitlichen Fragestellungen um nur einige zu nennen.
Familienaufstellung in der Übersicht
Begründer und theoretischer Hintergrund:
Mehr Methode als eigenständige Therapie. Systeme (Gruppenbeziehungen) werden durch Stellvertreter nachgestellt. Bekannt geworden ist die Aufstellungsarbeit durch Bert Hellinger.
Krankenkassen in Deutschland möglich?
Nein - siehe auch: Was kostet Psychotherapie und wer zahlt?
Anerkannt für die Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten?
Ja, als systemische Therapie - siehe auch: Psychotherapie - Lexikon der Psychologie
Anzahl der Studien, die Wirksamkeit belegen:
Einige