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Krankhaftes Lügen - Lexikon der Psychologie

Krankhaftes Lügen (Pseudologia Phantastica) bezeichnet eine extreme Form des Lügens, bei der es den Betroffenen vor allem darum geht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Der Begriff wurde von dem Schweizer Psychiater Anton Delbrück im Jahr 1891 geprägt. Umgangssprachlich werden auch die Begriffe "Münchhausen-Syndrom" und "Hochstapler" verwendet.
Im Vordergrund der Pseudologia Phantastica steht die dramatische Selbstdarstellung gepaart mit einem gesteigerten Geltungsbedürfnis. Es werden Geschichten erzählt, die manchmal unwahrscheinlich klingen - jedoch häufig einen wahren Kern enthalten. Diese Geschichten werden immer weiter ausgestaltet und entwickeln dabei eine starke Eigendynamik. Die Pseudologen steigern sich oft so sehr in ihr Lügengebäude hinein, dass sie selbst anfangen, an die erfundenen Ereignisse zu glauben. Anders als bei Notlügen finden sich keine aktuellen äußeren Anlässe, die das Verhalten erklären.
Charakteristisch für krankhafte Lügner sind ein gutes Gedächtnis, ausgeprägte schauspielerische Fertigkeiten und überdurchschnittliche verbale Fähigkeiten sowie ein sympathisches, gewinnendes Auftreten. Den Pseudologen geht es darum, sich dramatisch vor Publikum in Szene zu setzen und große Aufmerksamkeit zu erzielen. Nicht selten wird dafür bewusst ein besonders gutgläubiges "Publikum" ausgewählt. Heute gilt die Pseudologia Phantastica daher als Symptom der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Mit dem Narzissmus-Test zur Fremdbeurteilung können Sie ermitteln, ob bei einer Person Anzeichen für Narzissmus und krankhaftes Lügen vorliegen.
Bekannt geworden ist das Beispiel der Amerikanerin Tania Head, die behauptete, sie hätte als eine der wenigen die Anschläge auf das World Trade Center überlebt, obwohl sie sich genau in dem Stockwerk befunden habe, in das die Flugzeuge einschlugen, während ihr Verlobter bei den Anschlägen ums Leben gekommen sei. Head gründete eine Selbsthilfegruppe für Überlebende und trat mehrfach öffentlich auf. Später entpuppte sich ihre Geschichte als frei erfunden.

Typisch sind komplett erfundene Lebensläufe und Schicksale mit folgenden Inhalten:

  • Es wird behauptet unter einer schweren Krankheit (Krebs) zu leiden oder diese überstanden zu haben
  • Krankhafte Lügner stellen sich gerne als Opfer oder als Angehörige von Opfern von Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder ähnlichem dar
  • Es wird von Verfolgung und anderen schrecklichen Erlebnissen berichtet, die aber nie selbst erlebt wurden
  • Es wird behauptet, das uneheliche Kind einer berühmten Persönlichkeit zu sein
  • Es wird von Doktoren- und Adelstiteln fantasiert

Diagnose von krankhaftem Lügen und Abgrenzung gegenüber Wahn

Die Lügengeschichten der Pseudologia Phantastica sind recht einfach von Wahnvorstellungen und Halluzinationen abzugrenzen. Sie sind weder bizarr wie z.B. schizophrene Wahnvorstellungen, noch basieren sie auf falschen Wahrnehmungen (Stimmenhören). Werden krankhafte Lügner mit den Fakten konfrontiert, gestehen sie meist schnell ein, dass ihre Aussagen falsch waren.
Bedeutsam ist die Abklärung eines Verdachts auf Pseudologia Phantastica im Rahmen von Zeugenaussagen, z.B. bei sexuellem Missbrauch, was u.a. mit den Realkennzeichen und weiteren psychologischen Persönlichkeitstests möglich ist. Im Big-Five-Persönlichkeitstest fallen narzisstische Persönlichkeiten oft durch hohe Neurotizismuswerten und positive Selbstdarstellung auf.
Erkennungszeichen für krankhaftes Lügen
  • im Vordergrund steht die dramatische Inszenierung vor Publikum oder die Inszenierung als Opfer
  • die Aussagen widersprechen den Fakten
  • es gibt keine Zeugen
  • Ausweichen bei konkreten Nachfragen
  • die Geschichte kann nicht mit chronologischen Sprüngen erzählt werden
  • Inhaltliche und chronologische Widersprüche zwischen den Versionen
Die erfolgreiche Behandlung der Pseudologia Phantastica erfolgt im Rahmen einer Psychotherapie der oftmals zugrundeliegenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Weiterführende Quellen und Links

Buchempfehlungen

Bärbel Wardetzki: Weiblicher Narzissmus: Der Hunger nach Anerkennung. Kösel. mehr...




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