Zunehmende und belastende Zwangssymptome
Katrin (w, 35) aus Hannover: Hallo!
Ich habe ein Problem, das mich sehr belastet. Ich muss ständig bestimmte Dinge in meiner Wohnung putzen. Und wenn ich dann geputzt habe, habe ich trotzdem das Gefühl, daß es noch dreckig ist. Das ganze zieht sich oft über Stunden hin. Ich merke immer mehr, dass mein Verhalten nicht normal ist, kann aber nichts dagegen tun. Mir ist auch aufgefallen, daß bei mir immer alles an seinem Platz stehen muss und auch immer ganz gerade und symmetrisch, nach meiner Meinung eben 'perfekt'.
Wenn dann jemand irgendwas anfasst und schief stellt oder dreckig macht, dann bricht für mich eine Welt zusammen. Mein ganzes Leben leidet darunter. Es wird immer schlimmer. Kann es sein, dass ich an einer Zwangskrankheit leide?
LG Katrin
Ich habe ein Problem, das mich sehr belastet. Ich muss ständig bestimmte Dinge in meiner Wohnung putzen. Und wenn ich dann geputzt habe, habe ich trotzdem das Gefühl, daß es noch dreckig ist. Das ganze zieht sich oft über Stunden hin. Ich merke immer mehr, dass mein Verhalten nicht normal ist, kann aber nichts dagegen tun. Mir ist auch aufgefallen, daß bei mir immer alles an seinem Platz stehen muss und auch immer ganz gerade und symmetrisch, nach meiner Meinung eben 'perfekt'.
Wenn dann jemand irgendwas anfasst und schief stellt oder dreckig macht, dann bricht für mich eine Welt zusammen. Mein ganzes Leben leidet darunter. Es wird immer schlimmer. Kann es sein, dass ich an einer Zwangskrankheit leide?
LG Katrin
Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:
Liebe Katrin,danke, daß Sie hier so prägnant und intensiv Ihre Erfahrungen schildern! Um mit Ihrer Schlußfrage zu beginnen: Ja, es erscheint gut möglich, daß Sie an einer Zwangsstörung leiden. Eine Diagnose darf ich auf diesem Wege nicht stellen, aber ich empfehle Ihnen, sich mit einem Arzt oder Therapeuten über Ihre Symptomatik zu unterhalten und dahingehend weitere Planungen zu treffen.
Sie beschreiben die typische Symptomatik: Den Drang, die Umgebung zu säubern, den Wunsch nach Symmetrie und Ordnung und tendenzielle Panik, wenn dabei etwas 'durcheinandergerät'. Die Psychologie unterscheidet übrigens zwischen zwanghaften Persönlichkeiten und Zwangsstörungen. Bei ersteren äußert sich der Sauberkeits- und Ordnungsdrang in einem Wunsch und einer anschließenden Zufriedenheit, d. h. der Betroffene erlebt sein Tun als sinnvoll, manchmal sogar als angenehm. Diese Personen leben meist im Einklang mit ihrer Prägung, es stört den Lebensablauf nur geringfügig oder gar nicht.
Der zweite Typus, die Zwangsstörung, leidet unter dem Tun: Diese Person weiß, daß ihre Handlungen unsinnig sind und ihren Lebensablauf belasten, im Extremfall vielleicht sogar einen Beruf unmöglich machen; sie versucht, den Putz- und Ordnungsdrang abzustellen, aber es gelingt ihr nicht. Man spricht hier von einem 'Leidensdruck', und so interpretiere ich auch Ihre Zuschrift. Auch die Zunahme der Symptomatik ist typisch für die Zwangsstörung.
Die Gründe für die Entstehung einer solchen Störung sind vielfältig bzw. hängen die Erklärungen von den verschiedenen Standpunkten und psychologischen Schulen ab. Die psychodynamische Theorie (tiefenpsychologisch) verbindet die Zwanghaftigkeit mit einem neurotisch gewordenen Impuls der Ablehnung, Abgrenzung, aber auch mit der Ambivalenz zwischen Macht und Ohnmacht. Die Lerntheorie (Verhaltenstherapie) besagt, daß die Zwanghaftigkeit 'erlernt' ist und durch eine 'Übersprungshandlung' ein seelischer Konflikt mit Schmutz und Unordnung verbunden wurde, der durch 'Putzen und Aufräumen' unschädlich gemacht werden soll. Dies ist keine erschöpfende Erklärung, sondern soll nur ganz kurz verdeutlichen, daß die Interpretation einer solchen Störung vom Standpunkt des Psychologen bzw. Psychotherapeuten abhängt. Danach richtet sich auch die Behandlung.
Letzten Endes können zwanghafte Symptome auch organisch ausgelöst werden, z. B. durch Epilepsie, Multiple Sklerose, Schlaganfall oder Borreliose. Diese neurologischen Krankheiten machen sich aber primär auf ganz anderen Wegen bemerkbar, d. h. die zwanghaften Symptome treten erst in der Folge dieser organischen Störungen auf, sie weisen nicht darauf hin!
Es ist bemerkenswert, daß Sie sich selbst so gut beobachten und auch die 'Merkwürdigkeit' Ihres Verhaltens einschätzen können. Dem Großteil der betroffenen Personen ist dies meist unmöglich, die Symptome werden lange 'verschleppt, verschleiert und verharmlost', oft, bis das gewohnte (Berufs-)Leben vollkommen zum Erliegen kommt. Sehen Sie Ihre Selbstreflexion also als 'Gabe' an und suchen Sie externe Hilfe auf (siehe oben), Sie haben so die besten Chancen, Strategien für ein entspanntes Leben zu entwickeln! Sie werden dabei kein 'anderer Mensch', im Gegenteil: Sie lernen, was die Zwanghaftigkeit für Sie bedeutet und wie Sie mit ihr umgehen können, ohne daß sie Ihnen schadet!
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Holger Nikolai
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