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Unsere 11-jährige Tochter kann sich - ohne Handy - nicht alleine beschäftigen!

Fufu2017 (w, 39) aus Bremerhaven:

Hallo liebes Team,
es geht um meine 11-jährige Tochter! Sie ist gesund, besucht erfolgreich eine weiterführende Schule und hat pflegt Teamsport noch mehrere andere Steckenpferde außer Haus.

Sie konnte sich vom Kleinkindalter bis heute, noch nie gut alleine beschäftigen, aber zur Zeit ist es ganz schlimm, so dass sie es überhaupt nicht mehr alleine in einem Zimmer aushält, sondern sich demonstrativ schlecht gelaunt vor meinen Füßen langweilt und wartet, bis irgend jemand Zeit hat, mit ihr zu spielen.

Sie spielt auch sehr gern mit ihren viel jüngeren Geschwistern von 0 und 3 Jahren, akzeptiert es aber leider nicht, wenn diese das nicht möchten!

Sie ruft ihre Freunde auch nicht an oder trifft sich außer der Reihe mit ihnen. Wenn sie aber angrufen wird, so findet die Kommunikation mit den Freunden auf recht frohe und positive Weise statt.

Wenn die von uns auf 1,5 Stunden begrenzte Handyzeit um ist, dann fühlt sie sich aber sofort wieder gelangweilt!

Auch vor der Ankunft ihrer Geschwisterchen war es schon so, aber zurzeit ist es wirklich ganz extrem! Sie macht einfach nichts aktiv für sich und kann mit ihrer Zeit nichts anfangen und sich nicht einmal für 10 Minuten alleine beschäftigen.

Hätten Sie einen Rat, wie wir, ihre Eltern am besten damit umgehen und ihr einen Zugang zu sinnvoller und erfüllender Selbstbeschäftigung vermitteln könnten?
Vielen Dank für Rat und Hilfe! Fufu

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Vielen Dank, liebe Frau Fufu,
daß Sie uns hier so vertrauensvoll Ihre mütterliche Sorge bezüglich Ihrer Tochter anvertrauen! Aber zuerst einmal möchte ich Ihnen meine aufrichtige Anerkennung für Ihre verantwortungsvolle erzieherische Fürsorge aussprechen insbesondere, daß Sie ganz bewußt die täglich Telefonzeit Ihrer Tochter Begrenzen und ihr auch vorerst noch keinen Zugang zum Internet ermöglichen, was leider heute nur allzuviele Kinder und Jugendliche auf eine gefährliche, abgründige und oft seelenvergiftende Bahn lenkt.!

Sie beobachten schon seit langer Zeit mit berechtigter Sorge, daß Ihre Tochter nicht in der Lage ist, sich in Ruhe, Muße und mit frohem Sinn selbst beschäftigen, sondern sich bei fehlender Ablenkung dann meist recht nervig und penetrant verhält und dann meist von Ihnen die Erlösung aus ihrer quälenden Langeweile erwartet.

Es ist sehr richtig, daß Sie diesem Verlangen nicht einfach nachgeben, sondern hoffen, daß der Leidensdruck der Langeweile, diese zu sinnvollen Aktivitäten motiviert!

Für Kinder und Jugendliche ist es ganz wichtig, daß ihnen ihre Eltern regelmäßig die Erfahrung echter, ausgiebiger Langeweile ermöglichen und nicht dulden, daß einfach alle freie Zeit mit bequemen Ablenkungen durch Medien, Telefon und Sozialkontakte ausgefüllt wird, weil echte Langeweile das beste Mittel ist, um in uns Menschen, die so wertvollen schöpferischen, künstlerischen und spirituellen Kräfte zu wecken!

Normalerweise sind Kinder meistens sehr froh, wenn man ihnen mal keine Vorschriften macht, sondern ihre selbstgewählten Lieblingsbeschäftigungen und ihre eigenen Ideen fördert, wie z.B.: Lesen, Malen, Singen, Musizieren, Basteln, Gartenarbeit, Abenteuerspiele in Wald und Flur, Tierpflege, Spiele im Freien mit Spielkameraden usw.!

Wenn sich ein Kind, oder allgemeiner gesprochen, ein Mensch, sich nicht regelmäßig und auch für längere Zeit, auf wohltuende und beglückende Weise allein beschäftigen kann und geradezu zwanghaft nach Beschäftigungen und Abwechslung durch andere Menschen, oder durch durch die heute allgegenwärtigen Unterhaltungsmedien verlangt - so ist dies immer ein höchst bedenkliches Zeichen!

So ein Verhalten weist nämlich auf mangelnden inneren Frieden, seelischer Ausgeglichenheit und fehlender Verbindung zur eigenen Seelentiefe hin, aus der bei einem gesunden Menschen normalerweise immer viele Ideen, Pläne, Wünsche, Tagträume und frohe Handlungsimpulse aufsteigen und bei deren Ausleben es zu der so erstrebenswerten - von vielen Dichtern besungenen - selbstvergessenen Hingabe kommt - heute auch als „Flow bekannt - wo man alles um sich herum vergißt und mit Leib und Seele in beglückendem, selbstgewähltem, schöpferischen Tun, oft für viele Stunden versinkt und auch gar nie genug davon bekommen kann!

Dies fehlt Ihrer Tochter ganz offensichtlich und man sollte der Frage nachgehen, ob dieses Zeichen mangelnder Phantasie und fehlendem inneren Antrieb, ehern genetisch bedingt ist, oder ob es in früher Kindheit eine Mangel, besonderen Streß, oder sonst eine Belastung gab, welches dem Kind seine frohe Unbefangenheit, seinen Antrieb und die so wichtige pure Lebenslust aus sich selbst heraus, geraubt haben könnte!?

Im Falle Ihrer Tochter, ist es aber ein großes Glück, daß sie offensichtlich mit Freude ihren außerschulischen Aktivitäten nachgeht und auch gerne mit ihren Freundinnen telefoniert! Es wäre zu prüfen, inwieweit sie wenigstens ihre schulischen Hausaufgaben sorgfältig und mit Hingabe erledigt und sich auch innerhalb der Familie regelmäßig an der Hausarbeit beteiligt!?

Wenn sonst alles stimmt und auch keine verstecktes seelisches Leid zu erkennen ist, dann bleibt nur noch, daß Sie als Eltern und auch mit Hilfe der Großeltern, Verwandten und Freunde, einmal ganz bewußt das Thema „Selbstbeschäftigung“ mit dem Kind erarbeiten und in gemeinsamen Gesprächen und praktischen Übungen versuchen herauszufinden, welche tieferen Interessen das Kind haben könnte und welches Thema und welche Beschäftigung bei ihm echte Begeisterung wecken könnte!

Auch wäre eine weitere Beschränkung der passiven Telefonzeit zu überlegen, so daß ihre Tochter genötigt wäre, ihre Freundinnen von sich aus anzurufen, wenn sie telefonieren möchte, als eine erste Übung für eigene, bewußt gewollte Aktivitäten!

Keinesfalls sollten Sie sich - nur um den Quälgeist loszuwerden - notgedrungen mit ihrer Tochter beschäftigen, sondern es wäre viel wichtiger ihr liebevoll zu erklären, daß sie lernen müsse, sich selbst zu beschäftigen, wobei Sie ihr dazu die nötigen Anregungen geben und auch das nötige Material bereitstellen sollten, z.B.: Tagebuch in Schönschrift führen, Lieblingsmusik auflegen und dazu tanzen, ein Musikinstrument üben, mit Aquarellfarben experimentieren, Freundinnen auf Rollschuhe besuchen, in die Stadtbücherei gehen, um schöne Bücher, Hörbücher, Musik-CDs und kindgerechte Videos auszuleihen usw.!

Falls Ihre Tochter von all den vielen Vorschlägen und Anleitungen nichts hören will, so müßten Sie ihr immer wieder kurz und knapp, aber zartfühlend und liebevoll verdeutlichen, daß das Ertragen von Langeweile unbedingt zu ihren wichtigen Lernaufgaben gehöre und die dabei entstehenden Unlustgefühle, durch selbstgewählte Aktivitäten jederzeit behoben werden könnten, ohne daß man dazu unbedingt andere Menschen bräuchte!

Liebe Frau Fufu, ich hoffe sehr, daß ich Ihnen mit meinen Worten wieder neuen Mut machen und einige wichtige Anregungen geben konnte!

Vor allem aber wünsche ich Ihnen nun von ganzem Herzen, daß Sie durch regelmäßige und einfühlsame, liebevolle Gespräche, zu einer neuen tiefen innere Verbundenheit mit Ihrer Tochter finden können, damit Sie dem - jetzt kurz vor der Pubertät stehenden - Mädchen neben der gesunden Härte, auch den so wichtigen seelischen Rückhalt geben können, damit sie zu einem frohen Einklang mit sich und ihrer Umwelt finden kann, was ihr dann auch den so wichtigen inneren Seelenfrieden und Antrieb zu eigenen Aktivitäten und beglückender, schöpferische Selbstbeschäftigung geben könnte!

Mit der Bitte um eine baldige Bewertung dieser kostenlosen Antwort
Grüße ich Sie für heute recht herzlich als Ihr

Psychomeda-Berater Rainer J. G. Schmidt
Dipl. Sozialpädagoge mit staatl. Therapie-Erlaubnis
Rainerjg@T-Online.de – www.Rainer-JGS.de

P.S.: Wenn Sie noch Fragen haben oder eine Beratung wünschen, so können Sie sich schriftlich oder telefonisch unter 09961/7255 gerne direkt an mich wenden. Vergessen Sie aber bitte nicht, diese kostenlose Antwort zu bewerten und kurz zu kommentieren, denn ich wüßte doch sehr gerne, ob ich Ihnen mit meiner Antwort helfen konnte. Herzlichen Dank und alles Gute!
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Vielen Dank, das sind sehr hilfreiche Gedanken zu unserem Problem!





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