Selbstachtung und Abgrenzung: trotz moralischer Verpflichtung - eigenen Bedürfnisse schützen
Bine (w, 55) aus Aachen: Ich bin im Vorruhestand und nehme seit mehr als 20 Jahren Psychopharmka, wegen einer Angststörung. Seit ca. 10 Jahren bin ich als Haushaltshilfe bei einem alten Herrn tätig. Bisher hat mich das nicht gestresst, da ich nur 1-2 mal die Woche für ein paar Stunden dort bin. Jetzt aber wird er dement und er erwartet z. T. dass ich auch pflegerische Tätigkeiten übernehmen soll, obwohl 2x täglich der Pflegedienst kommt. Das möchte ich aber nicht! Ich bewundere Menschen die das können, aber ich kann es nicht, die Person zu waschen oder zu wickeln- zumal ich das auch nicht gelernt habe und nicht weiß wie ich das anpacken soll.
Ich würde einfach gerne kündigen, aber ich fühle mich verpflichtet zu bleiben, da er sich in dem Alter (89) nicht mehr so schnell an eine neue Bezugsperson gewöhnen kann.
Mich belastet jedoch der Gang zur Arbeit, weil ich nicht weiß was er an dem jeweiligen Tag wieder von mir verlangen könnte und ich es auch nicht schaffe NEIN zu sagen.
Ist es richtig auf meine Bedürfnisse zu schauen oder auf meine moralische Verpflichtung dort zu bleiben bis er verstirbt?
Ich würde einfach gerne kündigen, aber ich fühle mich verpflichtet zu bleiben, da er sich in dem Alter (89) nicht mehr so schnell an eine neue Bezugsperson gewöhnen kann.
Mich belastet jedoch der Gang zur Arbeit, weil ich nicht weiß was er an dem jeweiligen Tag wieder von mir verlangen könnte und ich es auch nicht schaffe NEIN zu sagen.
Ist es richtig auf meine Bedürfnisse zu schauen oder auf meine moralische Verpflichtung dort zu bleiben bis er verstirbt?
Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:
Liebe Bine,zunächst einmal möchte ich Ihnen Ihre Anerkennung für Ihre langjährige Tätigkeit und Ihre Fürsorge für den alten Herrn aussprechen. Es zeigt große Empathie und Verantwortungsbewusstsein, dass Sie sich Sorgen um sein Wohlergehen machen und darüber nachdenken, wie Sie ihm helfen können, obwohl Sie sich selbst unwohl fühlen.
Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu respektieren, besonders wenn es um Pflege geht. Sie haben klar erkannt, dass pflegerische Aufgaben etwas sind, was Sie nicht leisten können und wollen – und das ist völlig in Ordnung. Nicht jeder ist in der Lage, solche Aufgaben übernehmen zu können, besonders wenn man sie nie gelernt hat. Ihre Bewunderung für Menschen, die dies tun, ist ein Ausdruck Ihrer Achtung, doch Sie müssen auch auf sich selbst und Ihre Bedürfnisse achten.
Ihre aktuelle Situation scheint eine Belastung für Sie zu sein. Der Stress, nicht zu wissen, was von Ihnen erwartet wird und das Gefühl, nicht „Nein“ sagen zu können, kann langfristig Ihre eigene psychische Gesundheit beeinträchtigen. Nach all den Jahren, die Sie mit einer Angststörung zu tun haben, ist es besonders wichtig, für sich selbst Sorge zu tragen und zu erkennen, wann eine Situation zur Überforderung führt.
Das Dilemma zwischen der moralischen Verpflichtung und Ihren eigenen Bedürfnissen ist verständlich und eine Herausforderung, die viele Menschen in helfenden Berufen erleben. In solchen Fällen ist es hilfreich, sich vor Augen zu führen, dass Ihre Gesundheit genauso wichtig ist wie die des alten Herrn. Wenn Sie für sich sorgen, dann können Sie langfristig auch anderen Menschen besser helfen. Das bedeutet nicht, dass Sie ihn einfach im Stich lassen, sondern dass Sie eine Lösung suchen, die für beide Seiten tragbar ist.
Vielleicht wäre es möglich, ein Gespräch mit dem Pflegedienst oder anderen Angehörigen zu führen, um eine passende Lösung zu finden. Eventuell gibt es eine andere Haushaltshilfe, die diese Rolle übernehmen könnte, sodass ein Übergang sanft gestaltet wird. Ihre Verantwortung besteht nicht darin, alles zu tun, sondern in einem Maß zu helfen, das auch Ihnen noch Raum für Ihre eigene Gesundheit lässt. Ein offenes Gespräch könnte helfen, Ihre Belastung zu reduzieren und eine gute Alternative zu finden.
Es ist absolut richtig, auf Ihre eigenen Bedürfnisse zu schauen. Nur wenn es Ihnen selbst gut geht, können Sie auch anderen eine Unterstützung sein. Das Setzen von klaren Grenzen ist kein Zeichen von Egoismus, sondern von Selbstachtung und gesunder Abgrenzung.
Abschließend möchte ich Sie ermutigen, sich selbst die Erlaubnis zu geben, auf Ihre Bedürfnisse zu achten und entsprechend zu handeln. Sie verdienen es, in einer Situation zu sein, die für Sie tragbar und Ihnen keine ständige Belastung ist. Nutzen Sie Ihre innere Stärke, um Entscheidungen zu treffen, die sowohl Ihnen als auch dem alten Herrn gerecht werden, und haben Sie den Mut, Unterstützung einzufordern, wenn Sie diese brauchen. Sie sind nicht allein auf diesem Weg.
Ich glaube an Ihre innere Kraft und Selbstfürsorge.
Viele Grüße aus Bremen
Manja Biedermann
Heilpraktikerin für Psychotherapie
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