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Gesünder leben: So klappt's - Interview mit Prof. Schwarzer

Viele Menschen möchten ihr Leben positiv ändern und gesünder leben - schaffen es aber nicht. Wir fragen den Berliner Gesundheitspsychologen Prof. Dr. Ralf Schwarzer, wie man den berühmten Schalter im Kopf umlegt... - von Dr. Satow, Sep 2010

Gesünder leben: So klappt's

Interview mit Prof. Schwarzer

Viele Menschen nehmen sich vor, ihr Leben zu ändern und gesünder zu leben - doch nur die wenigsten halten durch. Wir fragen den Berliner Gesundheitspsychologen Prof. Dr. Ralf Schwarzer, woran das liegt und wie man es ändert.

Frage: Herr Prof. Schwarzer, Sie haben die Gesundheitspsychologie in Deutschland populär gemacht und sind dafür im Jahr 2007 mit dem Deutschen Psychologiepreis ausgezeichnet worden. Erklären Sie uns kurz, welche Rolle die Psychologie für Gesundheit und Fitness spielt. Wie kann man Menschen, die ungesund leben, dazu motivieren, gesünder zu leben?

Schwarzer: Nur vor den Risiken zu warnen, die ein ungesunder Lebensstil in sich birgt, bringt wenig. Erfolgreicher ist eine Kommunikation, die nicht nur auf die Risiken abzielt, sondern dabei auch die Fähigkeiten des Menschen anspricht. Dabei geht es darum, die positiven Konsequenzen eines gesunden Verhaltens zu betonen und sich gleichzeitig die eigene Fähigkeit zur Verhaltensänderung vor Augen zu führen.

Viele Menschen muss man nicht mehr motvieren


Frage: Es gibt doch auch viele Leute, die schon gute Absichten haben, aber dennoch ihren ungesunden Lebensstil fortführen.

Schwarzer: Viele Menschen muss man gar nicht mehr motivieren, da sie bereits motiviert sind. Bei Hochmotivierten, die noch nicht handeln, fehlt es meistens an zwei Dingen: der Organisation und der Selbstwirksamkeitserwartung.
Zur Organisation gehören die Planung des Wann, Wie und Wo von gesundem Verhalten und das realistische Vorhersehen von Barrieren, wie „Was mache ich, wenn mein Freund mir nach dem dritten Bier eine Zigarette anbietet?“
Mit Selbstwirksamkeitserwartung ist die optimistische Überzeugung gemeint, aus eigener Kraft die Änderung des Lebensstils bewältigen zu können. Umgekehrt können Selbstzweifel einen daran hindern, es überhaupt zu versuchen. Wie beim Sport, so braucht man auch Anstrengung und Ausdauer bei der Umstellung auf eine gesunde Ernährung oder beim Verzicht auf Suchtmittel.
Während man strategisches Planen relativ leicht lernen kann, ist der Aufbau von Selbstwirksamkeitserwartung eine komplizierte Sache. Dazu braucht man oft professionelle Hilfe.

Frage: Wenn man motiviert ist und genügend Organisation und Selbstwirksamkeitserwartung aufbringt, läuft dann alles Weitere von allein?

Schwarzer: Dann kommt es erst mal zur Initiative. Damit ist der aktive Versuch gemeint, ein Risikoverhalten abzubauen und ein Gesundheitsverhalten aufzubauen. Einen Tag lang nicht zu rauchen, ist eine solche Initiative. Oder mal fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen oder mal eine halbe Stunde zu joggen. Um ein stabiles Gesundheitsverhalten aufzubauen, gelten dieselben Prinzipien wie zuvor: Organisation und Selbstwirksamkeitserwartung. Zur Organisation gehört es außerdem, nicht nur nach vorn zu blicken (Planung), sondern auch zurückzublicken (Handlungskontrolle): Man muss ständig registrieren, was man schon geleistet hat und in welchem Verhältnis dies zu den eigenen Zielen steht. Wenn man sich weniger gesund verhalten hat als vorgesehen, dann muss man entweder das Ziel nach unten korrigieren oder mehr investieren, um es besser zu machen.
Bei der Selbstwirksamkeitserwartung geht es nicht nur um die Gewissheit, überhaupt etwas tun zu können, sondern vor allem darum, sich wie Münchhausen am eigenen Schopf wieder aus dem Sumpf ziehen zu können. Man muss sich in der Lage fühlen, nach einer Unterbrechung des Sports oder nach dem Rückfall ins Rauchen die Motivation wieder herzustellen und einen neuen Versuch zu wagen.

Ziele müssen realistische sein


Frage: Viele Menschen nehmen sich vor, gesünder zu leben, mehr Sport zu treiben oder mit dem Rauchen aufzuhören. Aber die wenigsten fangen dann wirklich an oder hören schon nach kurzer Zeit wieder auf. Woran liegt das?

Schwarzer: Wir müssen zwischen der Zielsetzung und der Zielverfolgung unterscheiden. Vor allem zu Neujahr nehmen sich viele Leute vor, gesünder leben zu wollen. Ziele kann man aber jederzeit und in allen möglichen Situation setzen, auch unter der Dusche oder bei einem Glas Wein mit Freunden. Ziele müssen realistisch sein, man muss sie in angemessener Zeit erreichen können. Sie können hierarchisch geordnet sein. Es kann also ein Oberziel geben, z.B. mit dem Rauchen ganz aufzuhören, und Unterziele, wie z.B. erst mal die Anzahl an Zigaretten zu halbieren.
Die Schwierigkeiten ergeben sich dann bei der Zielverfolgung. Hier kommt es auf die gute Planung an und auf die Entwicklung von Handlungsstrategien und die Einbindung in ein soziales Netz. Dazu kann es gehören, seine Absicht, das Leben zu ändern, öffentlich bekannt zu machen. Das ist eine Selbstverpflichtung. Man motiviert sich damit, das Gesicht zu wahren und nicht aufzugeben. Das hat allerdings den Nachteil, dass man einen Selbstwertverlust erleidet, wenn man dennoch aufgibt. Man muss sich also sehr sicher sein, dass man sein Ziel wirklich erreicht.
Generell ist es von Vorteil, jemanden zu haben, der dasselbe Ziel verfolgt. Dann kann man sich zu zweit oder in der Gruppe immer wieder ermutigen und versuchen, Rückschläge zu vermeiden.

Frage: Und was passiert, wenn man sein Ziel verfehlt? Wenn man rückfällig wird?

Schwarzer: Rückfälle sind normal. Die vielen kleinen Rückfälle können sogar gut für uns sein, denn dadurch lernen wir etwas. Wir erfahren, was unsere Hochrisikosituationen sind, z.B. in der Kaffeepause oder beim dritten Bier anfangen zu rauchen. Wir verstehen besser, wann wir stark sind, welchen Versuchungen wir widerstehen können und welchen nicht. In diesem Zusammenhang bauen wir Selbstwirksamkeitserwartung auf.
Es gibt hier den sogenannten Abstinenzverletzungseffekt. Das bedeutet, wenn man eine Regel ein bißchen verletzt hat, z.B. einen ganz kleinen Schluck Alkohol getrunken hat, obwohl man sich an das Abstinenzgebot halten wollte, dann sagt man sich, nun ist sowieso alles egal, jetzt kann ich auch die ganze Flasche austrinken. Ich habe ja sowieso gesündigt.
Diesen Effekt kann man durch gute Vorbereitung verhindern, indem man lernt, Schaden zu begrenzen. Man muss sich klarmachen, dass es kompetent ist, Schaden begrenzen zu können. Dann kann man stolz auf sich sein, nach einer einzigen Praline den Kasten wegstellen zu können, und nicht in die Falle zu tappen, alles aufessen zu müssen. Es gibt solche Strategien der Rückfallprävention, die man erlernen kann.

Menschen lassen sich in drei Gruppen unterteilen


Frage: Was ergibt sich nun aus diesen Erkenntnissen für die Gesundheitsförderung?

Schwarzer: Wir haben es offensichtlich nicht mit einer homogenen Risikogruppe von Leuten zu tun, deren Lebensstil nicht gesund genug ist. Vielmehr lassen sich die Menschen in drei Gruppen unterteilen: die Unmotivierten, die Motivierten und die Handelnden. In jeder Stadiengruppe werden andere Informationen und Kompetenzen benötigt. Daher wäre es nicht klug, allen dieselbe Art von Beratung zukommen zu lassen. Dem Raucher, der schon lange aufhören möchte, nützt es überhaupt nichts, wenn man ihm vermittelt, wie riskant sein Verhalten ist (z.B. in Form von Warnetiketten auf Zigarettenpäckchen). Unsere Forschung zeigt, dass man Beratung für jedes Stadium maßschneidern kann. Die Unmotivierten profitieren von einer kombinierten Risiko- und Ressourcenkommunikation. Die Motivierten profitieren von Organisationshilfe, insbesondere der strategischen Planung. Die Handelnden, deren Gesundheitsverhalten noch nicht stabil geworden ist, profitieren von Rückfallprävention. Bei der Gesundheitsförderung sollten also die oben genannten Prinzipien maßgeschneidert angewandt werden: Ressourcenkommunikation für Unmotivierte, Organisationshilfe für Motivierte und Rückfallprävention für schon Handelnde.

Wie bedanken uns für das Interview.
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