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Zwanghaftes Aufkratzen der Haut

Sarah (w, 21) aus Berlin: Sehr geehrte Damen und Herren,

seit etwa 6 Jahren habe ich eine Art schlechte Angewohnheit. Da ich sie mir aber mit den verschiedensten Versuchen nicht abgewöhnen kann, macht sie mir inzwischen wirklich Angst.

Und zwar kratze ich mir kleine Pickel oder Ähnliches im Gesicht auf, bis die Haut richtig tief verletzt ist. Angefangen habe ich in der Pubertät. Allerdings habe ich dann nie richtig damit aufgehört, auch seitdem mein Hautbild wirklich gut ist. Ich habe im Bad einfach das Gefühl, dass die schlechte Haut 'weg muss', obwohl mir natürlich bewusst ist, dass ich damit Verletzungen herbeiführe, die mich später entstellen.

Abgesehen davon habe ich aber gar keinen Stress. Ich bin glücklich mit meiner Arbeit, mit meinem Freund und meinem gesamten Umfeld. Es gibt keinen Grund, so etwas zu tun. Aber ich kann es mir trotzdem nicht abgewöhnen und gelange immer wieder in eine Spirale - wenn ich einmal wieder angefangen habe, kann ich nicht aufhören, fühle mich gestresst durch mein Aussehen, hasse mich für meine Undankbarkeit, kann erst recht nicht aufhören... Ich hab's mit Tagebuchschreiben, mit Listen, mit Belohnungen etc. etc. versucht.

Aber ich kann mir mein eigenes Verhalten absolut nicht erklären. Und obwohl ich sonst offen bin und viele Menschen habe, denen ich vertraue, kann ich darüber mit niemandem sprechen, was ich selbst nicht verstehe.

Haben Sie eine Idee, wo der Grund liegen könnte oder was ich tun kann, um ihn herauszufinden? Oder sogar, was ich tun kann, um mir meine inzwischen jahrelange Angewohnheit endlich vollständig abzugewöhnen?

Danke im voraus für eine Antwort.

Mit vielen Grüßen,

Sarah

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Sarah,

danke für Ihre ausführliche Zuschrift! An der Kategorie, die ich für Ihre Frage vergeben habe, sehen Sie bereits, in welche Richtung ich denke. Ich bin deshalb so offen mit Ihnen, weil Sie bereits selbst viele Überlegungen angestellt haben, welche Mechanismen bei Ihnen wirksam werden und auch Versuche unternommen haben, Ihre Angewohnheit zu beenden.

Handlungen, die regelmäßig wiederkehrend und andauernd ausgeführt werden, obwohl der Betreffende sie als unnötig oder sogar schädlich beurteilen kann, aber trotz Versuch nicht in der Lage ist, sie abzustellen, werden den 'Zwangsspektrumstörungen' zugeordnet. Das Aufkratzen von Hautunreinheiten im Gesicht hat zudem einen deutlich selbstschädigenden Aspekt, im Gegensatz z. B. zu Zähl- oder Kontrollzwängen.

Instinktiv oder überlegt haben Sie bereits das versucht, was allgemein als 'verhaltenstherapeutisch' eingestuft werden könnte (Listen, Belohungssysteme etc.). Da diese Versuche erfolglos geblieben sind, rate ich Ihnen dringend, einen Therapeuten aufzusuchen, da für die dauerhafte Therapie bzw. Distanzierung von solchem Verhalten Gespräche mit erfahrenen Fachleuten in aller Regel den besten Ansatz darstellen.

Darüber hinaus empfehle ich Ihnen, es mit einem analytisch arbeitenden Therapeuten zu versuchen. Daß Sie durch Ihr zwanghaftes 'Aufgekratztsein' ausgerechnet den eigenen Körper schädigen bzw. Ihr Gesicht, also den Teil, den Sie der Welt präsentieren, hängt vielleicht mit ganz bestimmten Ängsten im Beziehungsverhalten zusammen. Daß Sie Ihr Leben als ausgeglichen und sozial beschreiben, ist dabei kein Gegenargument. Nach analytischem Verständnis beruhen solche Angewohnheiten eben genau darauf, daß ein seelischer Konflikt nicht 'gesehen' werden kann, das Bewußtsein betrachtet alles als 'ganz normal', aber das Unbewußte, die verdrängte Angst, äußert sich eben in genau solchen Handlungen, wie Sie sie beschreiben und die deswegen als 'unerklärlich' erscheinen.

Sie sind noch sehr jung, und daß Sie hier schreiben, halte ich für einen ersten und mutigen Schritt, mit dieser Belastung einen Ansprechpartner zu finden. Gehen Sie diesen Weg jetzt bitte weiter und suchen das direkte persönliche Gespräch. Wenn Sie bereit zu sogenannter 'aufdeckender' Arbeit sind, werden Sie im Rahmen therapeutischer Gespräche die Chance haben, bisher unbekannte seelische Regungen zu entdecken, die mit dieser Aufdeckung vielleicht schmerzhaft sind, aber zu einer Entlastung führen können, die Ihnen vielleicht ein dauerhaft entspanntes Leben ermöglicht.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Holger Nikolai
- Heilpraktiker f. Psychotherapie -

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