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Unterstützung bei psychischer Not: Leitfaden für Lehrkräfte

FrauK (w, 40) aus Ravensburg: FrauK (w, 40) aus Ravensburg: Ich bin Lehrerin an einem Gymnasium. Auf mich kam eine Schülerin (14 Jahre, lebt alleine mit der Mutter, Vater war gewalttätig und lebt mittlerweile nicht mehr in Dtld, Bruder mit 26 Jahren lebt nicht mehr zu Hause,sehr enge Beziehung) zu und hat mir im Gespräch beschrieben, dass sie an sich selbst Episoden beobachtet, bei denen sie sich von außen sieht und sich selbst nicht mehr steuern kann. Sie reagiert noch (langsam) auf Ansprache, wirkt aber mechanisch wie ein Roboter. Nach solchen Episoden (sie selbst nennt es Depersonalisierung) telefoniert sie lange mit dem Bruder. Die Geschwister sind sehr eng, der Bruder möchte für sie psychologische Hilfe besorgen. Allerdings hat er kein Sorgerecht. Die Schülerin möchte auf gar keinen Fall, dass die Mutter informiert wird. Diese hat in einem Elterngespräch geäußert, dass sie bei ihrer Tochter Panikattacken vermutet, weil es mal ein traumatisches Erlebnis gab, bei dem die Tochter 'den Vater in seinem Blut liegend im Bad gefunden' habe. Die Schülerin möchte auf gar keinen Fall mit der Mutter über ihr Problem sprechen. Ich habe als Lehrerin nun das Problem, dass der Zustand der Schülerin ihre schulischen Leistungen/ihr Verhalten beeinträchtig und weiß nicht, ob ich nun mit der Mutter sprechen darf/muss? Was kann ich tun?


Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Sehr geehrte Frau K aus Ravensburg,

Ihr Anliegen bezüglich Ihrer Schülerin stellt eine bedeutende Herausforderung dar, sowohl auf professioneller als auch auf menschlicher Ebene. Es ist offensichtlich, dass Sie tief besorgt um das Wohlergehen Ihrer Schülerin sind, und Ihre Intuition, Unterstützung anzubieten, ist lobenswert. Die von der Schülerin beschriebenen Episoden der Depersonalisierung, insbesondere im Kontext ihrer familiären Situation und vergangenen traumatischen Erlebnisse, bedürfen fachkundiger Aufmerksamkeit.

Die Depersonalisierung, bei der sich Personen von ihrem eigenen Körper oder Geist entfremdet fühlen, kann ein Symptom von tieferliegenden psychischen Problemen sein, einschließlich Trauma oder Angststörungen. Der Wunsch der Schülerin, ihre Mutter nicht einzubeziehen, könnte auf eine komplizierte familiäre Dynamik hinweisen, die durch das Hinzuziehen professioneller Hilfe sorgfältig navigiert werden muss.

Als Lehrkraft sind Sie in einer delikaten Position, da Sie sowohl dem Wohl der Schülerin als auch rechtlichen Vorgaben verpflichtet sind. In Deutschland gibt es klare Richtlinien für Lehrkräfte bezüglich der Fürsorgepflicht und des Meldewegs bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Jedoch fällt die von Ihrer Schülerin beschriebene Situation in eine Grauzone, da sie zwar Unterstützung benötigt, aber keine unmittelbare Gefahr für sich oder andere darzustellen scheint.

Hier sind einige Schritte, die Sie in Betracht ziehen könnten:

Vertrauensvolles Gespräch: Wenn bisher nicht geschehen, führen Sie ein weiteres vertrauensvolles Gespräch mit der Schülerin. Ermutigen Sie sie, über ihre Gefühle und Sorgen zu sprechen, ohne Druck auszuüben. Verdeutlichen Sie, dass Sie ihr Wohl im Auge haben und ihr helfen möchten, die Unterstützung zu finden, die sie benötigt.

Beratungslehrkraft oder Schulpsycholog*in einbeziehen: Schulen haben oft eine Beratungslehrkraft oder Schulpsycholog*innen, die in solchen Fällen Unterstützung bieten können. Diese Fachkräfte haben Erfahrung mit der Vermittlung zwischen Schülern, Eltern und externen Beratungsstellen.

Anonyme Beratung vorschlagen: Ermutigen Sie die Schülerin (und gegebenenfalls ihren Bruder), sich an anonyme Beratungsdienste zu wenden. In Deutschland bieten zahlreiche Organisationen anonyme, psychologische Beratung für Jugendliche an.

Information über Hilfsangebote: Informieren Sie sich über lokale Beratungsstellen oder psychologische Dienste, die Jugendlichen auch ohne die Einwilligung der Eltern zur Verfügung stehen. Manche Einrichtungen bieten spezielle Sprechstunden für Jugendliche an.

Datenschutz und Meldepflicht: Machen Sie sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut, insbesondere im Hinblick auf Ihre Schweigepflicht und eventuelle Meldepflicht bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. In manchen Situationen kann es notwendig sein, das Jugendamt einzubeziehen, allerdings sollte dies nach sorgfältiger Abwägung und möglichst in Absprache mit der Schülerin und/oder weiteren Vertrauenspersonen geschehen.

Netzwerk nutzen: Wenn möglich, ziehen Sie ein Netzwerk aus Lehrkräften, Schulmitarbeitern und Beratern hinzu, um einen Plan zu erstellen, wie der Schülerin am besten geholfen werden kann.

Dokumentation: Dokumentieren Sie Ihre Gespräche und Beobachtungen sorgfältig und vertraulich. Diese Aufzeichnungen können bei der Koordination von Hilfe und Unterstützung nützlich sein.

Bitte vergessen Sie nicht, wie wichtig Ihre Rolle und Ihr Mitgefühl in diesem Prozess sind – Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Wohlbefinden Ihrer Schülerin. Sie sind nicht allein auf diesem Weg; es gibt viele Ressourcen und Menschen bereit, Ihnen und Ihrer Schülerin zu helfen. Zusammen können wir einen Unterschied machen.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für Ihre wichtige Arbeit,

Manja Biedermann
Bewertung durch den Fragensteller:
Danke für die schnelle und sehr ausführliche Antwort!!





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