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Wenn Angehörige sich bei schweren psychischen Krankheiten hilflos fühlen

mogunzia (m, 60) aus Mainz: Hallo,ich selbst bin nicht betroffen sondern ein Angehöriger...meine Ehefrau leitet unter Borderline, Bulimie und Alkoholismus und einer Persönlichkeitstörung. Sie war bis von kurzen für 13.5 Wochen in einer stationären Therapie. Nun Zuhause und wenn ich arbeiten gehe besorgt sie sich Alkoholika und trinkt (Sekt). Wir wollen in zwei Wochen in Urlaub fliegen aber ich habe die Befürchtung das es im Urlaub eskalieren wird. Mich beschimpft sie wenn sie getrunken hat und macht mir Vorwürfe aller Art. ich weiss so langsam nicht mehr weiter bin seit ca 30 Jahren mit meiner Frau zusammen, ich liebe sie habe aber die letzte Zeit an Trennung gedacht auch schon angedroht..was ihr anscheinend egal ist.
Was würden sie mir empfehlen ?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber mogunzia,

ich übermittle Ihnen meine Anerkennung und den Respekt, dass Sie sich als Angehöriger und Ehemann hier Rat einholen möchten und sicher auch die ein oder andere Sichtweise zu schätzen wissen. Ich schreibe Ihnen dies hier auch aus eigenem Erfarungshintergrund.

Gerade als Angehöriger eines psychisch schwer erkrankten Menschen, den man wie Sie seit ca. 30 Jahren kennt, liebt und schätzt ist es wahnsinnig schwer, mit dieser Art der Erkrankung umzugehen, ohne selbst Schaden zu nehmen. Die Schwere der Erkrankung Ihrer Frau, die Sie schildern, ergibt sich zum einen aus den genannten Störungen Alkoholabhängigkeit, der Essstörung Bulimie und der Persönlichkeitsstörung Boarderline-Syndrom sowie auch aus der erfolgten stationären Behandlung. Viele psychische Störungen kommen häufig zusammen vor oder das eine bedingt dann das andere. Insbesondere der Umstand der Alkoholsucht macht natürlich eine Behandlung der anderen psychischen Störungen schwierig. Als Angehöriger leiden Sie sicher extrem nicht nur unter Symptomen, sondern gerade auch im Hinblick auf eine eigene gefühlte Hilflosigkeit und Ohnmacht, den geliebten Menschen im Alltag und bei den Behandlungsbemühungen zu unterstützen und trotz der alltäglichen Arbeitsbelastung dennoch immer für seinen Partner liebevoll da zu sein.

Wenn Sie in dieser starken emotionalen Belastungssituation Vorwürfe, Beschimpfungen und selbstzerstörerische Handlungen erleben, versteht jeder Mensch sehr gut, dass hier Zweifel an der Beständigkeit und Sinnhaftigkeit einer Beziehung aufkommen. Je mehr Sie sich bemühen und je weniger Sie einen Unterstützungserfolgt spüren, desto größer werden Ihre Gefühle der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Natürlich ist ein stabiles und belastbares familiäres Umfeld immer ein Schatz und eine sehr gute Basis für eine therapeutische Arbeit (Ihrer Frau. Dennoch besteht für Sie selbst die Gefahr seelischen Schaden aus dieser Situation zu erleiden. Ich selbst kann Ihnen nur ans Herz legen, sich möglichst schnell selbst psychologischen Rat und Unterstützung zu suchen, um einerseits selbst mit der Situation besser umgehen zu können und andererseits für sich und Ihre Zukunft klarer zu sehen.
Gleichgültig, wie Sie sich selbst in oder für die Beziehung mit Ihrer Frau positionieren, sollten Sie sich in Ihrem eigenen Interesse (um spätere Schuldgefühle oder ähnliches zu vermeiden oder zu mindern) professionellen Rat im Rahmen vielleicht einer Kurzzeittherapie suchen. In diesem Zusammenhang wird es Ihnen auch wenig helfen, wenn man Ihnen sagt, dass das Verhalten Ihrer Frau auch Ihnen gegenüber krankheitsbedingt eben so ist. Es ist umso schmerzlicher, wenn Sie das sicherlich wissen, aber es Sie auf Dauer so sehr emotional/seelisch belastet, dass Sie selbst Schaden nehmen.

Zusammenfassend bleiben folgende Stichworte. Ihr familiärer Zusammenhalt ist sehr wichtig für eine Behandlung. Als Angehöriger sind Ihre Möglichkeiten jedoch sehr begrenzt. Gleichgültig, wie Sie sich entscheiden, für ein „Durchstehen“ der Krise oder für eine Beendigung der Beziehung, die Eindrücke, Emotionen und Belastungen aus der doch langwierigen Krankheit Ihrer Frau werden oder sind sehr stark, dass im Sinne Ihres Selbstschutzes eine eigene psychologische Unterstützung für Sie ausgesprochen sinnvoll wäre.

Ich wünsche Ihnen viel und noch mehr Kraft und hoffe, dass Sie bei allen Problemen Ihrer Frau gerade auch auf sich selbst ausreichend achtgeben.

Ich hoffe Ihnen etwas geholfen zu haben und stehe jederzeit gerne für Ihre Fragen und einer Kontaktaufnahme zur Verfügung.

Herzliche Grüße

Ulrich Kritzner
Heilpraktiker für Psychotherapie

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