Wie schaffe ich es - ohne schlechtes Gewissen - mein eigenes Leben zu führen?
Camille (w, 36) aus Berlin:
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ich bin Camille, 36 Jahre alt und habe 2 Kinder, die hier in Berlin geboren sind. Meine Eltern kommen aus dem Kongo, leben aber seit 1978 auch in Berlin.
Ich schreibe Ihnen, weil ich mich ständig mit meinen Schuldgefühlen herum plage, da ich mich nicht als die 'gute' Tochter fühle, wie sie sich meine Eltern wünschen würden. Das belastet mich sehr, und hindert mich ein harmonisches Leben mit meinen deutschen Mann und meinen Kindern zu führen.
Ich habe noch 7 weitere Geschwister, wovon 5 nur für unsere Eltern leben. Sie besuchen Sie besuchen sie jedes Wochenende und sogar unter der Woche und sie schicken Geld an unsere Verwandten in Afrika, die wir noch nicht einmal kennen, nur weil es unsere Eltern so erwarten.
Ich dagegen bin da ganz anders, weil ich mein eigenes Leben lebe. Da ich berufstätig bin rufe ich meine Eltern nur einmal in der Woche an und besuche sie 1-2 mal im Monat.
Früher habe ich mich auch nach den Wünschen meiner Eltern verhalten, doch nachdem ich deswegen depressiv geworden war, entschloss ich mich meinen eigenen Weg zu gehen.
Doch dieses fällt mir immer noch sehr schwer, denn ich fühle mich traurig, dass ich so anders bin wie die meine anderen Geschwister und mir fehlt deren Verständnis für meine Lebensart! Für meine Eltern bin ich komplett 'eingedeutscht' !
Wie könnte ich es schaffen ohne schlechtes Gewissen mein eigenes Leben zu führen? Ich fühle mich meiner Familie nicht zugehörig, weil ich mich nicht nach deren Vorstellungen und Wünschen richte und mich nicht für meine Eltern aufopfere!
Ich bin manchmal so traurig im Inneren, dass ich in eine Esssucht hineingerate, um diese Leere zu kompensieren! Danke, für Ihren Rat und Ihre Hilfe. Liebe Grüße von Camille
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ich bin Camille, 36 Jahre alt und habe 2 Kinder, die hier in Berlin geboren sind. Meine Eltern kommen aus dem Kongo, leben aber seit 1978 auch in Berlin.
Ich schreibe Ihnen, weil ich mich ständig mit meinen Schuldgefühlen herum plage, da ich mich nicht als die 'gute' Tochter fühle, wie sie sich meine Eltern wünschen würden. Das belastet mich sehr, und hindert mich ein harmonisches Leben mit meinen deutschen Mann und meinen Kindern zu führen.
Ich habe noch 7 weitere Geschwister, wovon 5 nur für unsere Eltern leben. Sie besuchen Sie besuchen sie jedes Wochenende und sogar unter der Woche und sie schicken Geld an unsere Verwandten in Afrika, die wir noch nicht einmal kennen, nur weil es unsere Eltern so erwarten.
Ich dagegen bin da ganz anders, weil ich mein eigenes Leben lebe. Da ich berufstätig bin rufe ich meine Eltern nur einmal in der Woche an und besuche sie 1-2 mal im Monat.
Früher habe ich mich auch nach den Wünschen meiner Eltern verhalten, doch nachdem ich deswegen depressiv geworden war, entschloss ich mich meinen eigenen Weg zu gehen.
Doch dieses fällt mir immer noch sehr schwer, denn ich fühle mich traurig, dass ich so anders bin wie die meine anderen Geschwister und mir fehlt deren Verständnis für meine Lebensart! Für meine Eltern bin ich komplett 'eingedeutscht' !
Wie könnte ich es schaffen ohne schlechtes Gewissen mein eigenes Leben zu führen? Ich fühle mich meiner Familie nicht zugehörig, weil ich mich nicht nach deren Vorstellungen und Wünschen richte und mich nicht für meine Eltern aufopfere!
Ich bin manchmal so traurig im Inneren, dass ich in eine Esssucht hineingerate, um diese Leere zu kompensieren! Danke, für Ihren Rat und Ihre Hilfe. Liebe Grüße von Camille
Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:
Vielen Dank, liebe Frau Camille,
daß Sie uns hier so vertrauensvoll Ihr Herz ausschütten! Gerne will ich versuchen Ihnen einen Weg aus Ihrer so bedrückenden Seelenlage zu zeigen.
Ihnen geht es, wie heute vielen Migranten in Deutschland, die sich zwischen zwei Welten hin- und hergerissen fühlen und darunter sehr leiden, weil man eben meist nicht beiden Kulturen ganz gerecht werden kann, sonder gezwungen ist, seinen ganz eigenen Weg durchs leben zu finden und sich dabei eine ganz eigene kulturelle Identität aufbauen muß. Das ist eine große geistig-seelische Herausforderung, an der man auch scheitern kann, vor allem dann, wenn es an der Unterstützung durch das familiäre und soziale Umfeld mangelt.
Sie habe Ihren familiären und kulturellen Zwiespalt recht gut beschrieben und auch das damit zusammenhängende seelische Konfliktpotential, sowie die damit einhergehende Gefährdung Ihrer leib-seelischen Gesundheit gut erkannt. Sie sind offensichtlich eine recht gebildete, feinfühlige und gut erzogene junge Frau, die sich aus ehrlichem Herzen darum bemüht den Anforderungen des Lebens und der Familie gerecht zu werden und momentan sehr unter den Spannungen zur Herkunftsfamilie leidet.
Allerdings schreiben Sie gar nichts darüber, wie Ihre Ehemann zu dem beschriebenen Problem steht und wie Ihr Verhältnis zu Ihren Schwiegereltern ist, denn es wäre wichtig, daß Sie mit Ihrem Manne ganz offen über Ihren inneren Konflikt sprechen und um seine Unterstützung bitten und vielleicht auch die Schwiegereltern für einen guten Kontakt zu Ihrer Herkunftsfamilie gewinnen könnten.
Offensichtlich haben Sie, liebe Camille sich recht gut in Deutschland integriert und die hier herrschende Freiheit in familiären Dingen als wohltuende Befreiung, Bereicherung und Stärkung Ihrer selbstbestimmten Handlungsmöglichkeiten erkannt und angenommen, was ja für Ihren Mann ganz selbstverständlich ist, aber für Sie einen großen Schritt der seelischen Neuorientierung bedeutet hat.
Für diese vom deutschen Umfeld begrüßte und geförderte Anpassungsleistung in Richtung Freiheit, Unbeschwertheit und Selbstbestimmung, stößt bei Ihren Eltern aber auf massive Kritik und Abwehr, denn sie sehen hier, den für afrikanische Familien zum Überleben unbedingt notwendigen Zusammenhalt gefährdet. Sie fühlen sich durch ihr eigenmächtiges, gegen die Tradition gerichtetes Handeln in Ihre Eltern-Ehre gekränkt, in Ihrer Autorität in Frage gestellt und fürchten um die Achtung, den Respekt und die Anerkennung insbesondere durch die Verwandten im Herkunftsland.
Daß Sie sich aufgrund Ihrer Verehelichung mit einem deutschen Mann für die Deutsche Sicht und Handlungsweise auf die von Ihren Eltern eingeforderten verwandtschaftlichen Verpflichtungen entschieden haben, ist ebenso verständlich und natürlich wie, daß Ihre Eltern sich immer noch stark den überkommenen Traditionen verpflichtet fühlen.
Doch in Ihrem Herzen, liebe Camille prallen jetzt diese so unterschiedlichen Sichtweisen hart aufeinander und selbst wenn Sie sich vom Kopf her sicher sind, daß sich nichts Böses, oder Unrechtes tun, so spricht doch Ihre Herz eine ganz andere Sprache und leidet so sehr unter der Ablehnung und Mißbilligung durch Ihrer Eltern, daß Sie gerade dabei sind nicht nur sehr unglücklich, sondern auch noch schwer krank zu werden.
Der Schlüssel zur Lösung Ihres Konfliktes liegt meinem Gefühl nach bei Ihrem Ehemann, der wahrscheinlich wenig Verständnis für die finanziellen Forderungen Ihrer Eltern hat, was man ihm aber auch nicht verdenken kann.
Ich könnte mir aber vorstellen, daß Ihr Mann vielleicht zu einem Kompromiß bereit wäre, wenn Sie ihm ganz offen Ihren inneren Konflikt beschrieben. Vielleicht könnte man auch einen Vermittler aus der Kirchengemeinde oder der Botschaft Ihres Landes einschalten, um Ihren Eltern, die ganz andere deutsche Sichtweise verständlicher zu machen, aber andererseits trotzdem Ihre Bereitschaft zu Signalisieren - nicht aus Verpflichtung und Zwang - sondern um des familiären Zusammenhaltes und der Liebe zu Ihren Eltern willens, wenigstens eines angemessenen, für Sie gut verkraftbaren Teiles der geforderten Summe zu Zahlen, auch als wertschätzendes Zeichen Ihres Mannes seinen Schwiegereltern gegenüber. Und vielleicht wäre auch ein Familientreffen mit Ihrer Herkunftsfamilie bei Ihren Schwiegereltern ein Weg, um auf beiden Seiten für Verständnis und Entgegenkommen zu werben, was ja auch im Sinne der Ekelkinder, also der nachfolgenden Generation wäre.
Sie, oder der Vermittler müßte Ihren Eltern klar machen, daß ein Bruch der Beziehung für beide Seite nur Nachteile und Leid bringt und daß es richtig und natürlich ist, daß eine Ehefrau sich den Sitten des „Stammes“ anpassen muß, in den sie einheiratet!
Deshalb sollten Sie sich auch nicht dafür schämen, daß Sie in Ihrem Herz ein gutes Stück deutsch geworden sind, sondern Sie sollten sich stolz dazu bekennen, daß Sie bewußt und mit Überzeugung jene Traditionen, Denk- und Verhaltensweisen angenommen haben, die Sie hier in Deutschland als gut und Richtig erkannt haben, aber trotzdem die afrikanischen Traditionen achten, die ja ihre Berechtigung haben, weil dort ein Überleben ohne diesen absoluten familiären Zusammenhalt weder denkbar noch möglich ist.
Neben diesen äußeren Vermittlungsbemühungen in Richtung Ihrer Eltern und Herkunftsfamilie wäre es aber genau so wichtig, liebe Camille, daß Sie Ihre innerseelische Freiheit, Ihre Herzenskraft und Ihr Selbstbewußtsein stärken, sich aber andererseits auch gegenüber Ihrem Manne zu Ihren afrikanischen Wurzeln bekennen, die gerade so mächtig und dringlich ihr Recht einfordern und denen Sie einen angemessenen Platz in Ihrem Herzen und Ihrem Leben einräumen sollten, um einen stabilen Seelenfrieden finden zu können.
Ich weiß, daß der hier von mir aufgezeigte Weg nicht über Nacht so einfach umgesetzt werden kann. Aber wenn Sie bei meine Ausführungen bejahen können und ich Ihnen vielleicht Anregungen geben konnte, wie Sie selbst auf schöpferische Weise diese Zwiespalt auflösen könnten, dann wäre dies ein hoffnungsvolles Licht, welches das Ende Ihres dunklen Seelentunnels anzeigen könnte.
So ein Beratungsbrief kann immer nur ein Fingerzeig sein, der Ihnen eine mögliche Lösungsrichtung zeigt, aber gehen müssen sie in diese Richtung selber. Zum Glück gibt es in Deutschland viele, auch kostenlose Möglichkeiten sich dazu vertrauensvolle Hilfe zu holen, wo Sie regelmäßig Ihre Herz ausschütten können und wo man sie gerne auf Ihrem Lösungsweg begleitet, wenn Sie mutig Ihren Teil dazu beitragen.
Liebe Camille, ich hoffe, daß ich Ihnen mit meinen Worten wieder etwas Mut machen und eine neue Richtung weisen konnte! Vor allem aber wünsche ich Ihnen nun von ganzem Herzen viel Kraft und Zuversicht, bei dem für Sie jetzt so dringend notwendigen nächsten Änderungs- und Entwicklungsschritten, damit Ihr Herzens- und Familienkompaß bald wieder in Richtung echter, unbeschwerter Lebensfreude zeigen kann und Sie Ihr Familienglück aus vollem Herzen genießen können.
Für heute grüße ich Sie recht herzlich als Ihr
Psychomeda-Berater Rainer J. G. Schmidt
P.S.: Über eine umgehende Bewertung und kurze Kommentierung meiner Antwort würde ich mich sehr freuen!
Bewertung durch den Fragensteller: 



Herr Schmidt ist sehr umfassend auf meine Frage eingegangen und konnte mir dadurch sehr hilfreiche Impulse geben. Vielen Dank dafür. Grüße Camille





Herr Schmidt ist sehr umfassend auf meine Frage eingegangen und konnte mir dadurch sehr hilfreiche Impulse geben. Vielen Dank dafür. Grüße Camille
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