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Besteht ein Zusammenhang zwischen meinen Schmerzen und meiner Unzufriedenheit?

Wittgenstein (w, 41) aus Köln : Guten Tag,
ich leide seit 20 Jahren immer wieder an Schmerzen im Rücken, mittlerweile sind mir ein Bandscheibenvorfall und TIS (Thoracic Inlet Syndrom) diagnostiziert worden. Als Kind wurde mir schon gesagt, dass ich empfindsamer bin, ich habe mich oft zurückgezogen und brauche immer noch viel Zeit für mich. Ich wollte gerne auf eine Waldorfschule wechseln aber meine Eltern haben es mir nicht erlaubt. Dann bin ich nach dem Abitur in einem Bürojob gelandet, der mich nie ausgefüllt hat. Nun sind meine Schmerzen so stark dass ich die Verbindung mit der unzufriedenen Psyche vermute. Die körperlichen Schmerzen sind so stark, dass mir die Kraft fehlt, neben Physiotherapie etc weiter zu denken, was mir gut täte. Meine Arbeit ist in der Zeit seit Corona immer anstrengender geworden und hat mich teilweise depressiv gemacht. Ich sehe auch keinen Sinn mehr darin.

Meine Frage ist:
Kann es sein, dass all dies zusammenspielt und ich deswegen lethargisch bin, wenig Freude empfinden kann und nicht 'funktioniere'?
Vielen lieben Dank für deine Antwort!

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Frau Wittgenstein,

vielen Dank dafür, dass Sie sich vertrauensvoll an uns gewandt haben. Sie schreiben, dass Sie schon sehr lange unter Rückenschmerzen leiden, dafür inzwischen auch körperliche Diagnosen bekommen haben, sich gleichzeitig aber auch fragen, ob die Unzufriedenheit, die Sie in Ihrem Job verspüren, hier eine Rolle spielen kann.

Ich finde, das ist eine sehr berechtigte Frage. Und meine kurze Antwort darauf lautet: Ja. Das kann durchaus sein.

Unser Körper und unsere Psyche bilden ja eine Einheit und sind nicht zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Auch wenn es körperliche Ursachen für Ihre Schmerzen gibt, so können diese einerseits auf die Psyche wirken, andererseits die Psyche diese verstärken. Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass man sich auch psychisch nicht so gut fühlt, wenn man starke Schmerzen hat. Und genau so ist es auch so, dass wenn einen Dinge im Leben belasten, man seine körperlichen Beschwerden noch stärker wahrnimmt. Und selbst ohne körperliche Erkrankung kann sich Unzufriedenheit durchaus auch in körperlichen Symptomen wie Schmerzen ausdrücken, die mitunter als sehr stark erlebt werden.

Das heißt, Ihre Schmerzen können durch die Psyche sowohl verstärkt, als auch alleine dadurch ausgelöst werden.

Vielleicht können Sie das ja auch an sich selbst beobachten, dass Sie an Tagen, an denen Sie vielleicht etwas Positives erlebt haben, Ihre Schmerzen nicht ganz so stark spüren?

Wenn Sie schreiben, dass Sie durch die Schmerzen kaum die Kraft haben, darüber nachzudenken, was Ihnen gut täte, wäre es vielleicht nochmal eine Überlegung, das mit Ihrem Arzt zu besprechen, ob es hier noch medizinische Möglichkeiten gäbe, die sinnvoll wären und Ihnen helfen könnten, weniger Schmerzen zu haben.

Und gleichzeitig kann es auch sinnvoll sein, sich trotzdem langsam auf den Weg zu machen, etwas an Ihrer Unzufriedenheit zu ändern. Wenn Sie gerade wenig Kraft haben, dann sind vielleicht derzeit wirklich nur ganz kleine Schritte möglich. Aber vielleicht gibt es ja trotzdem etwas, das Sie tun können, was Ihnen eine kleines bisschen gut täte? Vielleicht ein Gespräch oder Telefonat mit einem Menschen, den Sie mögen. Vielleicht eine Tasse Tee, in Ruhe getrunken. Vielleicht ein Strauß frischer Blumen, den Sie sich holen. Das sind nur Anregungen, vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein. Auch kleine Veränderungen können schon manchmal etwas bewirken, besonders wenn man sie regelmäßig in seinen Alltag einbaut.

Was Ihren Job betrifft, klingt es ja so, als sei Ihr beruflicher Lebensweg eher von außen bestimmt gewesen, als ob es Ihre eigene Entscheidung gewesen ist: Sie konnten nicht auf die Schule gehen, auf die Sie gerne gehen wollten. Nach dem Abitur sind Sie in einem Bürojob 'gelandet', was auch nicht so klingt, als wäre das Ihre erste Wahl gewesen. Und diesen empfinden sie als nicht ausfüllend und seit Corona auch noch als zunehmend anstrengend und sinnlos. Wenn ich das so lese, ist es für mich eigentlich kein Wunder, wenn Ihr Körper und Ihre Psyche sich hier so lautstark zu Wort melden, oder?

Angenommen, Sie hätten von Anfang an Ihren eigenen Weg gehen können, welchen Beruf oder welche Tätigkeit hätten Sie gewählt? Was würde Sie ausfüllen und das Gefühl geben, dass Ihr Tun sinnvoll ist? Wie müsste die Arbeit gestaltet sein, damit es Sie nicht überanstrengt und depressiv werden lässt? Was können Sie besonders gut?

Vielleicht wissen Sie die Antworten darauf schon, aber wenn nicht, können Ihnen diese Fragen vielleicht eine Idee bringen, was eine Tätigkeit wäre, die mehr zu Ihnen passen würde.

Wie kommt es, dass Sie trotzdem noch an Ihrem Job festhalten, obwohl er Ihnen offensichtlich nicht gut tut? Vielleicht liegt das daran, dass Sie nicht wissen, was Sie stattdessen machen könnten. Vielleicht haben Sie aber auch Angst vor der Veränderung - was durchaus verständlich ist. Denn Veränderung beinhaltet ja auch immer ein gewisses Risiko. Und auch, wenn der Ist-Zustand vielleicht alles andere als toll ist, so kennen wir ihn zumindest und wissen, was wir bekommen. Ich möchte Sie trotzdem ermutigen, sich - auch wieder in kleinen Schritten - auf den Weg zu machen und zu schauen, was Sie mit mehr Sinn erfüllen könnte. Suchen Sie sich hierzu auch gerne professionelle Unterstützung, wenn Ihnen dieses Thema schwerfällt. Ich kann mir vorstellen, dass sich das positiv auf Ihre Schmerzsymptomatik auswirken kann.

Um es nochmal zusammenzufassen: Ja, Körper und Psyche hängen zusammen und können sich gegenseitig sehr beeinflussen. Um einen Ausweg aus Ihrer Situation zu finden, halte ich es für sinnvoll, nochmal Richtung Schmerzmanagement nach medizinischer Unterstützung zu suchen. Weiterhin können auch kleine positive Veränderungen etwas bewirken. Und als Drittes wäre die Frage, was Sie mit Sinn erfüllen könnte und ob ein Job- oder Berufswechsel in Frage kommt.

Ich hoffe, das gibt Ihnen zumindest einen Ansatz, mit dem Sie weiterarbeiten können. Wenn Sie noch Fragen haben oder etwas unklar ist, können Sie mich gern unter meiner Email-Adresse info@loesbar-online.de kontaktieren.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihren weiteren Weg.

Viele Grüße
Astrid Hiersekorn

Bewertung durch den Fragensteller:
Eine sehr ausführliche und hilfreiche Antwort, vielen lieben Dank dafür.





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