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Überforderung im Familienleben

Nana (w, 35) aus Ingolstadt : Hallo,
Ich habe einen kleinen Sohn, 1¼ Jahre alt, den wir versuchen besonders liebevoll zu erziehen. Oft kommen mein Mann und ich selbst dabei zu kurz. Wir haben hier keine Familie und keine dritte Bezugsperson fürs Kind und hatten seit Monaten keine Stunde mehr ganz für uns und auch eine*r für sich nur selten. Dazu kommen die nicht erholsamen (Still-)Nächte.
Ich bin z.z. nicht erwerbstätig, mein Mann arbeitet im Homeoffice. Das Kind ist ein chaotischer Wirbelwind aber gesund und zufrieden. Dennoch fühle ich mich regelmäßig extrem erschöpft und überfordert, will nur noch auf der Couch liegen, doch Ruhepausen sind nicht drin denn ich muss mich um das sehr aktive Kind kümmern. Es wird gerade bei der Tagespflege eingewöhnt und braucht jetzt besonders viel Liebe und Nähe. Ich bin jedoch gereizt mit einem hauchdünnen Geduldsfaden. Das müssen dann der Mann und manchmal sogar das arme Kind ausbaden.
Da ich (nachts) stille, trinke ich auch abends kein Bier. Ich bin seit 2 Jahren Nichtraucherin und habe aktuell oft Lust wieder anzufangen. Momentan esse ich stattdessen zu viel und zu ungesund. Hinterher fühle ich mich schuldig. Kurz: Frustration, Überforderung, Gereiztheit, Erschöpfung, Schuldgefühle.
Nun kommt der Twist: ich habe nur das eine Kind. Trotz Arbeitslosigkeit keine Geldnot, keinen Job der für extra Stress sorgt und einen Mann der kocht und putzt. Wir sind alle drei gesund. Rein praktisch ganz normaler Alltag für andere Leute. Warum fühle ich mich dennoch so ausgelaugt?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Nana,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich versuchen möchte, auf diesem Wege zu beantworten.
Sie stellen eine Situation da, die z.Zt. in vielen Beziehungen und Lebensformen existent ist. Primär ist natürlich die derzeitige Pandemiesituation sehr belastend und “strahlt” somit auch in Ihren Alltag hinein.
Sehr positiv klingt Ihr Bestreben, Ihr Kind sehr liebevoll zu umsorgen und es auch liebevoll zu erziehen.
Auch Ihre wirtschaftliche Situation ist trotz Ihrer derzeitigen Erwerbslosigkeit stabil, wie sie schreiben und somit nicht “angstmachend”.
Trotzdem haben Sie einen Druck, der sich aus verschiedenen Eckpunkten in Ihrem Leben aufgebaut hat. Zuallererst einmal ist natürlich die Situation der “fehlenden” Familie belastend, da ja auch sonst einmal die eine oder andere Stunde in der Kinderbetreuung von Familienmitgliedern abgedeckt werden könnte; dies würde wiederum eine Entlastung für Sie und Ihren Mann bedeuten. Aufgrund der Homeoffice-Bedingungen Ihres Mannes kann dann sehr schnell eine Überforderung mit Arbeit, Kindererziehung und Rückzugsmöglichkeit für jeden einzelnen entstehen. Die Bereiche “verschwimmen” und somit sind keine klaren Grenzen mehr gezogen. Das ist hochgradig belastend und Sie reagieren dann, wie Sie beschreiben, mit Frustration, Überforderung, Gereiztheit, Erschöpfung, Schuldgefühlen.
Ihre angespannte Situation schlägt sich dann auf Essverhalten und u.U. ungesundes Konsumverhalten wie Rauchen o.ä. nieder. Eine dann schwer wieder umkehrbare “Spirale”.
Das sind in dieser schwierigen Lebenssituation nachvollziehbare Verhaltensweisen, die aber leider nur eine kurzfristige Entlastung bringen.
Vielleicht sollten Sie zusammen mit Ihrem Mann eine Tagesstrategie entwickeln, um für Sie beide gewisse Freiräume zu schaffen, die dann auf Dauer wieder etwas Ruhe in Ihren Tagesablauf bringen. Sie könnten evtl. mit Sport oder Spaziergängen eine gewisse Abfuhr Ihrer Unzufriedenheit und der Überforderung schaffen… . Voraussetzung wäre natürlich, dass Sie mit Ihrem Mann bestimmte Absprachen bzgl. “freie Zeiten” treffen können.
Zum anderen sind natürlich die biologischen Gegebenheiten aus der Stillsituation für Sie sehr zehrend und ziehen dementsprechend viel Kraft aus dem Körper.
Für Sie sollte auch, wie Sie schreiben, der gesunde und zufriedene Zustand Ihres Kindes wichtig sein, auf den Sie unbedingt stolz sein können. Da machen Sie und Ihr Mann sicher vieles sehr richtig. Trotzdem darf Ihr Zustand nicht dazu führen, dass durch Überforderung früher oder später Ihr Familienleben leidet. Da Sie Ihr Kind gerade bei der Tagespflege eingewöhnen, werden sich ja in absehbarer Zeit die Tagesabläufe ändern und somit haben Sie die Möglichkeit, sich gewisse Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten zu suchen. Also: Wie Sie schon richtig darstellen...eine normale Situation wie in vielen Familien, aber trotzdem sehr belastend und demzufolge für jedes einzelne Familienmitglied eine Herausforderung… . Das Zusammensetzen mit Ihrem Mann, um Lösungsstrategien zu “erarbeiten” kann schon alleine für eine gewisse Entspannung sorgen, da man dadurch gewisse Ziele in Aussicht stellt und bestenfalls auch erreicht.
Wichtig ist aber, dass auch Ihr Mann Ihren Zustand erkennt und dass Sie mit ihm offen darüber reden können.
Ich hoffe, daß ich Ihnen ein paar erste Gedanken und Vorschläge zur weiteren Umgehensweise mit der Situation geben konnte. Für Rückfragen stehe ich Ihnen auch weiterhin gerne kostenfrei unter e- mail: merkle.mediator@googlemail.com zur Verfügung. Im Gegenzug würde ich mich über eine Bewertung und kurze Kommentierung dieser kostenlosen Antwort sehr freuen.

Für heute verbleibe ich mit allen guten Wünschen
und lieben Grüßen als Ihr Psychomeda-Berater

Oliver Merkle
Bewertung durch den Fragensteller:
Danke für Ihre Antwort. Wir werden weiterhin versuchen uns Freiräume zu verschaffen.

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